Gefährliches Feuer, Autofahren und Luftartistik

Jana Korb am 02.06.2016

Als Luftartistin mache ich mir viele Gedanken über Sicherheit und Sicherheits-Standarts – das Wissen um die Gefährlichkeit meiner Kunst ist mir immer präsent. Und immer wieder hört man von heftigen und auch tödlichen Unfällen von KollegInnen. Das verfolge ich und versuche zu analysieren, was jeweils passiert ist und wie ich das vermeiden kann.
Das Wichtigste ist sicheres Material und ruhige Konzentration. Und das habe ich aus meiner bisherigen Erfahrung gelernt: in den Momenten, wo ich den Respekt vor meiner risikoreichen Kunst verloren habe, ist meistens auch etwas passiert. Glücklicherweise nie etwas wirklich Ernstes! Ich bin über die Jahre vorsichtiger und im gesunden Sinne vernünftiger geworden, was halsbrecherische Tricks und Moves angeht. Ich lese viel über Safety und Rigging und halte mich auf dem Laufenden, was internationale Sicherheits-Standarts angeht. Dazu gibt es Online-Foren und Diskussionsgruppen. Vor allem in den angelsächsischen Ländern gibt es regen Austausch zwischen professionellen RiggerInnen und LuftartistInnen, wo ich auch gerne ab und zu mitmische und mein Fachwissen teile.
Dennoch muss ich augenzwinkernd zugeben, dass ich mich auch an abergläubische Traditionen halte – als Luftartistin soll man kein Grün tragen, auf der Bühne darf man nicht pfeifen, usw., denn das bringt Unglück! ;-) Nachdem ich meinen einzigen wirklich gefährlichen Sturz (aus sieben Meter Höhe auf mein Gesicht) ohne Kratzer (naja, ich hatte ein paar Verspannungen, die sich lange nicht lösen wollten…) überstanden hatte, habe ich mit dem Universum einen Pakt geschlossen: nie mehr werde ich um so Nichtigkeiten wie Parkplätze vor der Haustür, staufreies Fahren, besseren Handyempfang usw. bitten, wenn das Universum mich in Zukunft auch wieder so toll beschützt!!!

Allerdings sind das Gefährlichste an meinem Beruf und meiner Kunst nicht die kurzen Momente in der Luft, sondern die langen Autofahrten zu den Gigs und Auftritten. Kreuz und quer durch Deutschland und Europa fahren wir mit unserem Sprinter oder Trafic. Wir versuchen zwar mittlerweile nicht mehr alleine zu fahren, und uns Zeit für komplette Reisetage zu nehmen – dennoch sind wir immer wieder mal müde, überarbeitet oder es treibt uns nach Hause, so dass wir lieber durchfahren, statt Pausen zu machen. Unfälle passieren leider viel zu viele – und wir nehmen uns fest vor, dass wir weiterhin unfallfrei fahren! Und immer, wenn es uns die Umstände erlauben, fahren wir mit der Bahn – nicht nur ist das sicherer, es ist auch so viel gemütlicher!

Luftartistik und Autofahren, das sind Gefahren, derer ich mir bewusst bin.
Dass aber auch das Feuer gefährlich sein kann, das habe ich bisher ausgeblendet. Das Publikum fragt immer wieder mal, ob wir denn keine Angst vor dem Feuer hätten. Klar müssen wir dann zugeben (oder auch nicht), dass wir uns immer wieder mal die Finger verbrennen, oder dass wir nicht Feuerspucken, da uns der Effekt es nicht wert ist, unsere Lungen dafür zu ruinieren. Aber tödliche Angst hatten wir bisher nicht vor dem Feuer, da wir ja wissen, was und wie wir es tun. Wir spielen sehr gerne mit dem Feuer, und klar ist uns die Mächtigkeit und Gefahr des Feuers bewusst – das ist ja auch ein Teil des Reizes für uns. Aber mein Worst-Case-Szenario war bisher die Gefahr von hässlichen Verbrennungen, die jedoch nicht tödlich sind.

Vor ca. einem Monat jedoch ist Linda Farkas gestorben – eine der großartigsten, kreativsten und visionärsten FeuerkünstlerInnen, die es je gab. Ich kannte sie nicht persönlich, habe ihre Kunst nur auf Videos und Fotos verfolgt. Sie ist, so hatte ich gehört, nach wochenlangem Krankenhausaufenthalt an einer schweren Rauchvergiftung gestorben (allerdings ist sie tatsächlich an ihren schweren Verbrennungen gestorben, wurde ich im Nachhinein korrigiert…).
Als ich zuerst gehört hatte, dass eine Feuerkünstlerin gestorben ist, dachte ich erst arrogant, krass zwar, aber das muss eine unerfahrene Feuerspielerin gewesen sein. Als ich dann erfahren habe, dass es Linda Farkas war, konnte ich es kaum glauben. Sie kannte doch alle Sicherheits-Standards und hatte jahrelange Erfahrungen – wie konnte das passieren??!!!

Dadurch habe ich erneut erfahren, dass das Feuer tatsächlich auch lebensgefährlich sein kann, nicht nur durch seine Hitze, sondern auch durch seine Gase und den Rauch. Besonders bei Requisiten und in Situationen, wenn man das Feuer nicht einfach so von sich weg auf den Boden werfen kann, wenn es unberechenbar wird. Linda arbeitete viel mit brennenden Kostümerweiterungen und Kopf-Schmuck – das machen wir nur am Rande. Aber wenn ich Luftartistik mache in unserer Aerial Fire Fusion Show “Illuminair”, und die Petroleum-Gase von Jennies und Jos Feuerspiel einatmen muss, während ich am Tuch tanze, dann wird mir nun doch ein bischen respektvoll zumute.

Wir trauern um eine große Künstlerin und versprechen ihr, dass wir den Respekt vor dem Feuer nie mehr verlieren werden!

(Nachtrag:
Kurz nachdem ich das geschrieben hatte, ist einer unserer Trainingsräume in Berlin komplett ausgebrannt – voll schrecklich – glücklicherweise wurde niemand verletzt!
Unsere Liebe zum Feuer wandelt sich langsam zu einer heftigen Hass-Liebe…)